Ulmener Maar
Spaziergang um das Ulmener Maar
Etwa einen Kilometer beträgt unser schönster örtlicher Spaziergang. Nennen wir ihn: „Rund um den Nachlass des Vulcanus“. Vulcanus war der römische Gott des Feuers und der Unterwelt und lange glaubte man, die feuerspeienden Erdauswürfe wären die Ergebnisse seines göttlichen Zorns. Heute empfinden wir sie als Balsam für unseren inneren Ausgleich. Aus guten Gründen haben wir den kleinen Maarspaziergang an den Anfang unserer Wanderpalette gestellt, schließlich gilt es, sich für größere Wanderherausforderungen auf Betriebstemperatur zu bringen. Jene aber, die des Schusters Rappen nicht so gerne satteln, können auf dem Rundweg ihre Seele, und auf einer der zahlreichen Ruhebänke auch die Füße baumeln lassen. Am eindrucksvollsten ist das zu Beginn der abendlichen Dämmerung und grundsätzlich während aller Jahreszeiten.
Das Maar im Besonderen
Item zwen Zwey namhaftiger See sind in dieser Eyfel / einer bey dem Schloß Ulmen / und der ander bey dem Closter zum Laich / die sind sehr tief / haben keinen eynfluß / aber viel außfluß / die nennt man Mahr / und sind Fischreich. Im Mahr zu Ulmen ist ein Fisch / wie dann viel gesehen habe / auff dreissig Schuch lang / un ein and‘ auff zwölf Schuh lang / die habe Hecht gestallt. Und so sie sich lassen sehe / stirbet gewißlich ein Ganerb des Hauß Ulmen / es sey Mann oder Fraw / ist offt bewart und erfahren worden. Diese Mahr ligen gemeinlich auff hohen Bergen. Man hat das zu Ulmen wollen ersuchen in seiner Tieffe / und nach dem man dz Bley dreyhundert Clafftern tieff hinab gelassen / hat man kein Grund mögen finden. (Nebenan: Grafik von S. Münster)
Derartige Ungeheuer, wie vom Baseler Gelehrten Sebastian Münster 1542 in seiner „Cosmographie“ beschrieben, sind offensichtlich in tiefere Gefilde abgetaucht oder haben sich entsprechend dem Volksglauben zum Laacher See hin abgesetzt, den man manchmal heute noch mit dem Maar unterirdisch verbunden sehen will. Man hat sie seit Jahrhunderten nicht mehr gesichtet, und die edlen Frauen und Herren auf den Ulmener Burgen, denen der Fisch den Tot ankündigte, sind auch schon lange den Weg aller Irdischen gegangen. Dagegen hat das Maar nichts von seiner Faszination verloren. „Maare sind die Augen der Eifel“! So werden sie gerne von Romantikern charakterisiert: Oft irisieren sie eine nur schwer zu würdigende Farbpalette, um im nächsten Augenblick maßlose Herausforderung oder endlose Tiefgründigkeit auszudrücken. (Foto: Abenddämmerung, Oblak) Derzeit kennt man in der Eifel etwa 50 dieser Vulkantrichter, wobei die meisten bereits bis zum ehemaligen Wasserspiegel verlandet sind; nur acht davon sind noch mit Wasser gefüllt. In dieser Gesellschaft nimmt das Ulmener Maar eine besondere Stellung ein: Hervorgehoben wegen seiner unvergleichbar malerischen Kulisse, von der sich so bekannte Künstler wie Pitt Kreuzberg, Conrad Ludwig Lessing oder Fritz v. Wille öfters inspirieren ließen, insbesondere jedoch, weil es der jüngsten vulkanischen Aktivität nördlich der Alpen entstammt. Mit knapp sechs Hektar Wasserfläche entspricht es einer mittleren Maargröße und wer sich für seine Tiefe interessiert, der orientiert sich am besten an der dicht daneben stehenden Pfarrkirche St. Matthias. Ihr Turm ist mit 37 Metern genauso hoch, wie das Maar tief ist. Wissenschaftler sagen, dass sich auf den Böden der Eifelmaare jährlich 1,00 bis 1,5 Millimeter Sedimente ablagern. Wir haben also noch etwa 35.000 Jahre Zeit, um uns an der herrlichen Wasserlandschaft zu erfreuen. Oder anders ausgedrückt: Unser Maar befindet sich gerade im „Halbstarkenalter“.
Vulkanologen wissen es schon etwas länger: „Maare verdanken ihren Ursprung dem Zusammentreffen von Feuer und Wasser“. Überall wo Oberflächenwasser über Erdklüfte absickerten und nur wenige hundert Meter unter der Erdoberfläche mit aufsteigender heißer Magma zusammentrafen, kam es zu Dampfbildungen mit hohen explosiven Energien. Gewaltige Detonationen sprengten darüber liegende Erdschichten weg, rissen kleinförmige Magmafetzen, aschengroße Partikel und Bruchstücke des Nebengesteins mit nach oben und hinterließen danach die bis zu einer gewissen Höhe mit Wasser aufgefüllten Krater. Diese Vorgänge, die sich in der Regel mehrmals wiederholten, werden von Wissenschaftlern innerhalb weniger Tage als abgeschlossen angenommen. Wer sich diese Ablaufphasen, mit den einzelnen Zyklen im Wechsel feiner Aschen und verklebten Gesteins vor Augen halten möchte, hat dazu westlich des Ulmener Maares in einer gut aufgeschlossenen Steilwand an der Cochemer Straße beste Gelegenheit.
Von der Druckwelle der ersten Explosion wurden Bäume entwurzelt, die konserviert der Wissenschaft heute die Möglichkeit bieten, nach radiometrischen Altersbestimmungen über das radioaktive Element C14 das Maaralter ziemlich genau datieren zu können. Vorliegende Untersuchungen häufen sich mit ca. 9500 Jahren vor heutiger Zeit im unteren Bereich der Bandbreite. So gilt es weitgehend als sicher, dass der erste Ausbruch des Ulmener Maares etwa 7500 v. Chr. mit einer verheerenden regionalen Katastrophe erfolgte. Wenn nun das Ausbruchsjahr kaum mehr exakt fixiert werden kann, so erkennt man an den verbliebenen Früchten der untersuchten Hölzern die Jahreszeit des Ausbruchs doch sehr genau. Sie entsprechen einer Fruchtreife wie man sie heute zwischen Mitte bis Ende Juli im mittleren Schweden antrifft, dessen klimatische Verhältnisse jenen entsprechen, die für die damalige Zeit in der Eifel angenommen werden.
Verschiedentlich herrscht immer noch die Meinung, dass vom Maarboden warme Quellen als letzte Botschafter des Vulkanismus aufsteigen, obwohl der Begründer der Limnologie (Seenkunde) Professor Thienemann diese Auffassung schon kurz nach dem 2. Weltkrieg gründlich revidiert hat. Er erklärt dieses Phänomen in der für Wissenschaftler bekannten nüchternen Art: Große Mengen Schadstoffe setzten sich im Laufe der Zeit an der Maarsohle ab, die ein salzreiches und sauerstofffreies Milieu erzeugten und dabei freigesetzte Wärme an die Oberfläche aufsteigen ließen. Dieser Prozess nahm in den siebziger Jahren bedrohliche Ausmaße an, nachdem seit den letzten Kriegsjahren dem Maar aus Gründen der Trinkwasserversorgung zusätzlich wieder nährstoffreiche Wasser aus dem Jungferweiher über einen historischen Stollen zugeführt wurden – es drohte umzukippen und das hätte vermutlich für die Wasserversorgung schlimme Folgen nach sich gezogen. Immerhin werden aus Tiefbrunnen am Rand des Maares jährlich bis zu einer Million Kubikmeter Trinkwasser gefördert, die etwa 25 Prozent des Wasserbedarfs im Landkreis Cochem – Zell ausmachen. Hilfe kam schnell und unbürokratisch; zunächst per intensiver mechanischer Belüftung der tiefen Wasserschichten. Dem schloss sich ein Forschungsprogramm an, nach dessen Ergebnissen ein Filtersystem am Auslauf des Jungferweihers installiert wurde. Der erzielte Erfolg bestätigt eindrucksvoll den Sachverstand der daran beteiligten Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Schneller als vorher vermutet, setzte im Maar ein Heilungsprozess ein. Heute ist das Maar wieder so gesund wie der sprichwörtliche „Fisch im Wasser“. Deren sind im Maar große Schwärme beheimatet, wie sich der Maarbesucher während eines Rundgangs über gepflegte Spazierwege überzeugen kann.
Das Maarufer im Allgemeinen
(Foto: Spazierroute) Als Ausgangspunkt unseres Spaziergangs schlagen wir den rechten Treppenaufgang zur Pfarrkirche St. Matthias vor (1) und empfehlen den Rundgang im Uhrzeigersinn anzugehen. Von hieraus schlendern wir durch die „Lay“, wie der Ortsteil zwischen Maar und Kirche genannt wird. Seine ehemalige Fachwerkbebauung war einmal ein eindrucksvolles Zeugnis der früheren Eifeler Architektur und nicht nur für Maler die imposanteste Maarkulisse überhaupt. Nach Passieren der beiden letzten Häuser fällt uns bei genauem Hinschauen, dicht am Maar, eine leichte Bodendelle auf. Hier rutschte 1866 das Haus des Kesselflickers Grohß, ohne sonstige Spuren zu hinterlassen, ins Maar. Der damalige Pfarrer schrieb dazu: „Zwei Männer waren am Haus mit Reparaturarbeiten an den Fundamenten beschäftigt. Als sie nach einer Frühstückspause das Haus verließen, hörten sie ein knirschendes Geräusch und suchten das Weite. Kaum einen Steinwurf entfernt sahen sie wie das Haus mit einem Birnbaum, an dem ein Hund angekettet war, spurlos im Maar verschwand“. Eine heimische Tauchergruppe hat seine Spuren auch im Maar bislang noch nicht wieder entdeckt. (Foto: Gemälde Pützhoven)
„Im Erleider langs das Maar“ – heute „Erlter“ – hieß ehemals die nun vor uns liegende Wiesenlandschaft. Es sind nur noch Namen, die an alte Traditionen früherer Passionsfrömmigkeiten im Gedenken an den „Erleider“ Jesus Christus und seiner „fünf heiligen Wunden“ erinnern. Offensichtlich unterlagen derart „fromme Wege“ aber schon sehr früh aufklärenden Tendenzen, nachdem man – lästerhafte Zungen behaupten das – bis sieben zu zählen gelernt hatte. Die „Fünf – Stationen – Anbetungswege“ entwickelten sich zu deren sieben – man sprach auch von den „Sieben Fußfällen“, nach den volksläufigen Meinungen, Jesus Christus sei auf seinem Leidensweg sieben Mal gefallen. Unser „frommer Pfad“ wird uns allerdings über den nördlichen Tuffwall zu einer Stelle, die heute Antoniuskreuz genannt wird, überliefert. Hier aber dürfen wir den eingetretenen Pfaden des 13. Jahrhunderts folgen, als sich das Verständnis von der sonntäglichen Speise am Tisch des Herrn zu einer nur sichtbaren Gegenwart der vom Priester hochgehobenen Hostie wandelte. „Ich bin des Herrn nicht würdig, aber ich habe ihn gesehen“, führten zu einer Entfremdung der heiligen Eucharistie, der Papst Urban VI entgegenwirkt, indem er 1264 einen Tag des Herrn anordnete und die Verehrung seines Leibes in den Mittelpunkt stellte. Seitdem kennen wir die feierlichen Fronleichnamsfeste, in deren Sog auch andere Prozessionen, Bitt- und Flurumgänge gerieten. Das Allerheiligste wurde nun auf allen Wegen mitgeführt und wie hier ums Maar an vier Stationen nach dem Absingen der Evangelienanfänge mit sakramentalem Segen in die vier Himmelsrichtungen erhoben. Während der stationären Zeremonien wurde das Schaugefäß (Monstrans) mit der Hostie auf so genannten „Segenstischen“ abgestellt. Leider hat sich hier nur noch die dritte, wohl aber die prägnanteste Station erhalten, an der unser Weg später vorbei führt.
Mit wenigen Schritten überschreiten wir bei (2) ein weiteres Zeitfenster in die Vergangenheit. Was sich unter einer Erdbrücke wie ein Quellwasser aus dem Tuffwall anmutet, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Wasserlauf aus einem Tunnel, der den Jungferweiher mit dem Maar über etwa 145 Meter Länge und etwa zehn Höhenmeter verbindet. Sinn und Zweck des Erddurchbruchs liegen auf der Hand, denn nur mit den jährlich durchschnittlichen 4,5 Millionen Kubikmeter Niederschlagsmengen aus dem Einzugsgebiet des Jungferweihers lässt sich ein gleich bleibender Maarwasserstand aufrecht erhalten. Der wiederum wurde spätestens dann notwendig, als man um den westlichen Burgberg einen künstlichen Wasserschutzgraben anlegte. Um den aber unter Wasser zu halten, reichten die Niederschlagsmengen in den Maartrichter nicht aus. Heute diskutieren wir allenfalls darüber, wann dieses bisher fachlich kaum gewürdigte Bauwerk projektiert wurde? Sedimentologen schlagen nach Ablagerungen im Maar vor, dass der Tunnelbau im 11. spätestens jedoch im frühen 12. Jahrhundert erfolgt sein muss.
(Foto: Maarloch) Andere halten dem entgegen, dass es den Burgherren in dieser hochmittelalterlichen Phase aus vielerlei Gründen nicht möglich war, ein derart anspruchsvolles wasserhydraulisches Regelwerk (einschließlich des Wasserschutzgrabens) zu realisieren. Tatsächlich entspricht die Grabungstechnik des Tunnels den Vorschriften eines römischen Militärarchitekten (Vitruv), der diese im ersten nachchristlichen Jahrhundert zur Norm machte.
Selten findet man alte und junge Wasserbautechniken so dicht beieinander, wie hier und im sich anschließenden Wiesengelände bei (3). Massive Metalldeckel verschließen dort Tiefbrunnen, aus denen seit 1926 Grundwasser zur Trinkwasserversorgung gefördert werden, von der anfangs über 20 Ortschaften profitierten. Zwei leistungsstarke Kolbenpumpen im rückwärts gelegenen Pumpenhaus, förderten damals stündlich 70 Kubikmeter Wasser zu einem etwa 85 Meter höher gelegenen Gebäude, wo es weiter aufbereitet und durch Eigendruck in das Versorgungsnetz der angeschlossenen Ortschaften verteilt wurde. Mit dem Bau des Westwalls und einer stärkeren Truppenbelegung in den Eifelgemeinden, forderte die Deutsche Wehrmacht nach 1938 ausreichendes und hygienisch einwandfreies Trinkwasser ein, an dem auch die Ortschaften in der Amtsbürgermeisterei Kaisersesch teilhaben wollten. So wurden hier die Förderkapazitäten während des Zweiten Weltkriegs verdoppelt, die das Maar mit seinem knapp einer Million Kubikmeter umfassenden Inhalt nicht verkraftet hätte. Wieder einmal mussten die zwischenzeitlich trockengelegten Flächen des alten Weihers „Löcher füllen“; sie wurden 1942 wieder geflutet und, wie jetzt noch, die so gesammelten Niederschlagsmengen je nach Bedarf über den historischen Stollen dosiert dem Maar zugeführt. Die ehemalige Fördertechnik wurde inzwischen durch moderne Systeme ausgetauscht, das Pumpenhaus wartet mittlerweile auf einen neuen Verwendungszweck, aber immer noch werden dem Uferfiltrat jährlich etwa eine Million Kubikmeter Trinkwasser entnommen, Das sind etwa ¼ des Wasserverbrauchs im gesamten Landkreis Cochem – Zell. Bevor wir nun weiterspazieren, empfehlen wir noch einen Blick auf die dem Maar gegenüberliegende Bebauung. Vergleicht man die mit der nebenstehenden Federzeichnung aus dem Jahr 1751, erkennt man sehr gut die ehemalige Lage des vorhin erwähnten Wasserschutzgrabens. (Foto: Beilsskizze)
Wir spazieren weiter in Richtung Pumpenhaus, lassen das rechts liegen, um gleich wieder rechts den untersten Spazierpfad durch den bewaldeten Maarberg zu erreichen. Schon bald kommen wir an einen Holzsteg, wo ein „Maarspautzer“ im gekonnten Bogen einen Grenzstein überspeit, der an die Grundherrlichkeit des ehemaligen Kurstaates Trier erinnert. Er füllt seine Backen aus einer Quelle, die weiter oberhalb in einem Stollen entspringt. Sie diente auch einer ersten provisorischen, aber sicher auch nicht sehr ergiebigen Ulmener Frischwasserversorgung vor dem Ersten Weltkrieg. An ihrer Ergiebigkeit leidet zuweilen auch der Wasserspeier, dessen Strahl manchmal nicht sehr dynamisch ausfällt. Weitaus ergiebiger floss dagegen einmal ein Born knapp 200 Meter weiter bei (4), aus dem die frühere Volksfrömmigkeit zu schöpfen wusste. Hier stehen wir vor der dritten Segensstation einer feierlichen Flurprozession, an der ehemals die landwirtschaftlich geprägte Bevölkerung den Schöpfer um Schutz für Vieh und Feld, aber auch für sich selbst anflehte. Etwas abseits erkennen wir ein Schaftkreuz neueren Datums in Gesellschaft eines Basalttisches, der zum Abstellen des Allerheiligsten diente. Sehr dezent hat dessen Stifter auf der Tischplatte ein „M“ und ein auf dem Kopf stehendes „L“ hinterlassen, die nur im nassen Zustand zu erkennen sind. Fachkundige Steinmetze aus der traditionellen Mendiger Bildhauerlandschaft deuten das als: „Hat mich machen lassen“. Daneben weist ein kleiner Pfeil auf das Insignum des Stifters – ein Familienwappen, das wir nach Anzahl und Anordnung der Rauten einem Philipp Haust v. Ulmen zuordnen können. Selbiger nennt sich Mitherr zu Ulmen und hatte zeitgleich auch das Präsentationsrecht über die Ulmener Pfarrkirche. Als einer der drei Bauherren war er 1489 an der Vorgängerin der heutigen St. Matthias – Kirche und 1515 an der Filialkirche in Meiserich beteiligt. Das kunstvolle Epitaph (Standbild) seines Sohnes gleichen Namens, dürfen wir in der Pfarrkirche bewundern.
(Foto: Ditzjesbäreschje)
Zur Beurteilung der kunstvoll gehauenen und 1995 wieder entdeckten Quellfassung, lassen uns alle Überlieferungen im Stich. Wenn aber beim Besuch des letzten Trierer Erzbischofs und Kurfürsten, Clemens Wenceslaus, 1779 hier eine Brunnenstube protokolliert wurde, dann muss die Quelle eine außergewöhnliche Funktion erfüllt haben. Deuten wir ihre Identität einmal so: Wenn am Gründonnerstag der Gottesdienst verklungen war, stimmte der Chor die Antiphon an: – „mandatum novum vobis“ – ein neues Gebot gebe ich euch. Ganz im Sinne der biblichen Überlieferung, nach der Jesus Christus an seinen zwölf Aposteln eine Fußwaschung vorgenommen hat, vollzogen die weltlichen und geistlichen Herren Ulmens diese Zeremonie alljährlich an den zwölf ärmsten Greisen des Ortes und erfüllten damit ein Mandatum (Gebot) der christlichen Nächstenliebe. In jüngerer Erinnerung ist hingegen noch der Brauch, nach dem schwangere Frauen den Ort zum Gebet für eine glückliche Geburt aufgesucht haben. Kindern, die die Mütter mitführten, erzählte man, dass der Klapperstorch hier unter einem goldenen Deckel die Babys (Moselfränkisch: „Ditzja“) entnehme und für die Bestellung eines Geschwisterchens einige Klümpchen Zucker abverlange. Manch einer wundert sich nun, dass bei dem damals noch ungebleichten und braunen Kunstzucker, alle Bestellungen hellhäutig geliefert wurden.
Am Schluss unseres Spaziergangs erwarten uns dann noch einmal ganz profane Dinge des täglichen Lebens. Kurz vor Austritt des bewaldeten Maarbergs sichten wir am Maarufer ein neuzeitliches Überlaufbauwerk (5) zur Regulierung des Maarwasserspiegels, dessen Ablaufröhre unter der Burg hindurch über eine Länge von etwa 200 Meter und im Querschnitt von cirka 0,80 x 1,70 Meter, in die Zeit kurz nach 1860 zurückgeht. Damals war der Vorgänger des jetzigen Jungferweihers trockengelegt worden. Dem Müller der südlich gelegenen Mehlmühle mangelte es nun an einem Wasserreservoir, wofür er zunächst das Maar nutzen wollte. Weil aber der ehemalige Wasserschutzgraben als Ablaufrinne ungeeignet war, entschloss er sich, die Kanalröhre unter der Burg durchpressen zu lassen – ganz im Interesse der Dorfbewohner, hatte man sich damit doch einem oft auftretenden Hochwasser, besonders bei lang anhaltendem Sturzregen, weitgehend entledigt.
So schlendern wir weiter am Fuß der ehemaligen Niederburg vorbei, deren Grundmauern mit ziemlicher Sicherheit in die antike Zeit zurückreichen und deren Siedlungshöhepunkt, nach archäologischen Funden, unter dem römischen Kaiser Antoninus Pius (138 – 161 nach Christus) festgestellt werden darf. Vollgepackt mit umfangreicher Geschichte erreichen wir den Endpunkt bei (6), wo wir auf einer Ruhebank unter Kastanien unbewusst über dem jetzt zugeschütteten, ehemaligen Wasserschutzgraben sitzen. (Foto: Maar im Herbst) Falls der geschichtliche Sättigungsgrad an der Stelle erreicht ist und sie sich lieber den leiblichen Speisen zuwenden möchten, können sie das am nahen „Alten Postplatz“ im Eiscafé „Orchidea“ oder über eine reichhaltige Speisekarte im gemütlich eingerichteten Restaurant „Bürgerstube“. Wenn sie „aber bitte mit Sahne“ bevorzugen, geht das vorzüglich im Café „Lieder“, etwa 100 Meter weiter in der Bahnhofstraße.
Manfred Dietzen