Auf den Spuren des Mittelalters

Hexen Henker und Halunken

Wanderung durch den Mai- und Brandenbusch

Nachfolgend stellen wir Ihnen eine Wanderroute vor, die man auch als Ulmens „Moral- und Strafpfad“ bezeichnen könnte, dessen Kalenderblätter sich zum Teil noch über Jahrhunderte zurückblättern lassen. Unter dem Motto: „Zu Hexen, Henkern und Halunken“ führen wir Sie über knapp acht Kilometer zu Tat- oder Strafvollzugsorten längst vergangener Zeiten. Passionierte Wanderer würden den Schwierigkeitsgrad der Route möglicherweise als leicht einschätzen, wir beurteilen ihn wegen der zu überwindenden Höhendifferenz von etwa 120 Metern als mittelschwer. Gut ausgebaute Wege auf einer Strecke entlang der roten Sternchen, die fast über die gesamte Distanz durch Hochwälder führt, sind dagegen Ihre positiven Begleiter. Dennoch sollte festes Schuhwerk zu ihrer Ausrüstung gehören.                                                                    

Der Wanderweg im Besonderen

Die Gewaltenteilung ist heute eine der angenehmsten Form unserer demokratischen Gesellschaftsordnung. Das war in früheren Jahrhunderten einmal anders: Gesetzgebung, Anklage und Strafmaß lagen in einer Hand. Kriminalsachen, das heißt, wo es um „Hals und Bauch“ ging (auch als Blutgerichtsurteile bekannt), lagen einzig im Strafvollzug des Landesherrn (Kurfürst), der sogleich auch oberster Hirte (Erzbischof) einer katholischen Diözese war. Sie, oder aber ihre Vertreter, wachten und urteilten streng und unnachgiebig über eine eigenmächtige Gesetzgebung ohne dabei die eigenen Vorteile aus den Augen zu verlieren, wie wir das nicht selten über Urkundentexte erfahren dürfen. Zahlreiche Familien, deren Angehörige auf dem Scheiterhaufen oder am Galgen oft schuldlos ihr Leben lassen mussten, wurden so nach „Recht und Ordnung“ oft bettelarm; selbst ihre Kinder wurden für die aus dem Vermögen nicht zu deckenden Ermittlungs- und Prozesskosten auf Heller und Pfennig zur Kasse des Anklägers mehr genötigt als gebeten. Hier sei eingeflochten, dass Ulmens weltliche Administration seit etwa ab 1400 beim Erzbistum Trier lag und die der kirchlichen von jeher in den Händen des Kölner Erzbischofs, wobei die Vertreter beider Erzstifte verschiedentlich in Kriminalsachen, also der so genannten „hohen Gerichtsbarkeit“, gemeinsam verfolgten und aburteilten. Aber auch auf kommunaler Ebene gab es Schöffengerichte der so genannten „niederen Gerichtsbarkeit“ für angerichtete Frevel und kleinere Schurkereien, von denen auch Pfarrgemeinden Gebrauch machten, um über eine von ganz oben profan formulierte  „Verwaltungsvorschrift“ zu den zehn biblischen Geboten ihre Schäfchen auf dem Pfad der Tugend zu halten. Manchmal scheinen die Synodale (Kirchenschöffen) damit allerdings überfordert gewesen zu sein, wie das in einem Ulmener Fall offensichtlich wird. Ähnlich  wie wir das über die Flimmerkiste aus den Stuben des Königlich – Bayrischen – Amtsgerichts amüsierend  erleben dürfen, gestaltete sich auch ein hiesiger „Sittenprozess“, dessen Verlauf uns bestenfalls zu einem Bierthekengespräch animieren würde:

 

Am Dreifaltigkeitssonntag (Sonntag nach Pfingsten) des Jahres 1788 wurden der in Meiserich wohnhafte W. H. sowie der Ulmener P. W. mit zwei Ulmener Frauen, die E. H. und M. M. wegen “außerehelichen fleischlichen Lüsten“ zum Verhör vor den Pfarrer und den kirchlichen Schöffenrat bestellt. Nach der Anhörung von elf Zeugen wurde der Tatbestand des „schweren außerehelichen Vergehens“ festgestellt und als Buße das „Steintragen“ während eines sonntäglichen Hochamtes verkündet. Das war in jeder Hinsicht ein schwerer Gang durch die gläubige Gemeinschaft mit einem an Ketten am Hals hängenden Stein, dessen Gewicht für eine demütige Körperhaltung  zu sorgen hatte. Doch ein ungewollter, vielleicht aber auch ein gewollter Zwischenfall gewährte den Dellequenten einen Strafaufschub – die „Halssteine“ waren wegen abgerissener Ketten nicht einsatzfähig. Ob die Ketten nun wegen häufiger Einsätze verschlissen oder durch lange Lagerung verrottet waren, verschweigt uns das Protokoll. Erst über ein Jahr später vermerkt die St. Matthias – Bruderschaft als weiteres moralunterstützendes Organ in ihrem Ausgabebuch: „Die Ketten in die Strafsteine zu machen 43 Albus“.                                            

Aus unbekannten Gründen verzögerte sich der Strafantritt auch in der Folge. Deshalb kam es im April 1790 zu einer weiteren Zeugenanhörung im Pfarrhaus, die offensichtlich auch keinen örtlichen Schlusspunkt setzen konnte. So wandte man sich an das geistliche Gericht in Köln, das im November 1790 per Urteil antwortete: „Dem W. H. aus Meiserich und dem P. W. aus Ulmen werden wegen Ehebruch und sonst mit auffallendem Ärgernis begangenen fleischlichen Verbrechen die Strafe des Steintragens bei einem öffentlichen Gottesdienst daselbst bestätigt; die Obrigkeit soll, wenn nötig, mit starker Hand eingreifen“. Das Strafverfahren gegen die E. H. wird gegen eine Buße über vier Pfund Wachs, die sie der  Ulmener Kirche geben soll, eingestellt, soll aber alle bis dahin angefallenen Ermittlungskosten mittragen. Der Landdechant in Neunkirchen wird angewiesen, die M. M. wegen ihres unehelichen Gebärens noch mal zu vernehmen – der „Sprung ins Heu“ hatte offensichtlich auch andere Folgen. Nebenbei machte das Kölner Erzstift auch seine Verwaltungsgebühren über 14 Reichstaler und 41 Albus geltend, die sich in der gesamten Ermittlungssache nun schon auf 41 Reichstaler und 41 Albus addiert hatten, doch das Ende war noch nicht abzusehen.

Im Januar 1791 meldete sich der Landdechant wieder zu Wort, das heißt er teilte mit, dass dem P. W. wegen seinem sofortigen Eingeständnis nur zwei Reichstaler als Buße aufzuerlegen seien. So blieb der Meisericher W. H. als einziger übrig, um den Bußgang mit dem Stein zu gehen, aber er machte es nicht. Überhaupt scheint man im Ort eine „Kölsche – Lösung“ des Problems angestrebt zu haben, wäre da nicht das Kölner geistliche Gericht gewesen, das im Februar 1792 erneut dazu aufforderte, dem Urteil Geltung zu verschaffen. In Amtshilfe wandte man sich an das kurtrierische Amt Cochem, von wo aus am 29. November 1792 die Anordnung erging, dass sich der Meisericher am nächsten Sonntag seiner Strafe zu unterziehen hätte. Jedoch in der Gemeinde hatte sich inzwischen eine heftige Front des Unmuts wegen der einseitigen Strafbehandlung aufgebaut und auch der kirchliche Rat erkannte jetzt die entstandene Unverhältnismäßigkeit. In seinem Auftrag richtete der Ortspfarrer im Juni 1793 ein Bittgesuch um Straferlass an den Trierer Kurfürsten. Jedoch nicht der Pfarrer erhielt die Antwort darauf, sondern des Kurfürsten Amtmann in Cochem wurde strikt angewiesen, dass Urteil innerhalb von 14 Tagen vollziehen zu lassen. In dem Auftrag kam dessen Amtsdiener im Juli 1793 nach Ulmen, um mit Hilfe des Gemeindevorstands den W. H. mit Gewalt zu ergreifen und dem Kirchenvorstand zur Bestrafung zu übergeben. Weil ihm hier aber jegliche Hilfe versagt blieb, musste sich der Amtsdiener ein zweites Mal – jetzt mit bewährter Mannschaft aus Cochem – nach Ulmen begeben, um den W. H. dingfest zu machen. Der Amtsdiener berechnete dafür zwei Reichstaler, 18 Albus und der Ortspfarrer für eine Fahrt nach Köln, drei zum Landdechanten und vier zum Kurfürstlichen Hof in Koblenz 23 Reichstaler. So summierten sich die Ermittlungskosten auf  insgesamt 77 Reichstaler, die damals immerhin den Ertrag einer fast 15 Morgen umfassenden Kornernte ausmachte – welch ein Preis und Aufwand für den Biss in einen süßen Apfel.

 

Der Wanderweg im Allgemeinen       

Vorstehende und stellenweise eher heitere Episode gab ihnen einen Vorgeschmack auf Ulmens frühere Kriminalstatistik, die allerdings oft auch weniger lustig ausfiel. Selbige wollen wir ihnen auf unserem Wanderweg näher bringen, den wir auf dem ersten Parkplatz zweier Supermärkte ganz im Norden Ulmens starten (1). Bereits die Parkplatzzufahrt verläuft über historisches Gelände. Hier trennte bis nach 1650 ein Wall mit Graben die ehemaligen Erzstifte Trier und Köln – südlich Trier und nördlich Köln. Selbiger wurde nach 1650 zum Tauschobjekt beider Kirchenfürsten, als der Trierer Erzbischof  Ländereien im Osten Ulmens an seinen Kölner Amtsbruder abtrat und er sich im Gegenzug dazu einen Landstrich im hiesigen Bereich zu Nutze machen durfte, dessen Grenzverschiebung nach Norden im Wesentlichen durch unsere Wanderroute markiert wird. Dem Trierer Herrn kam es dabei um den Besitz des rund 550 Meter hohen Jakobsberg an, dessen Gipfel bei uns später einen „Auweia“ – Effekt“  auslöst. Doch zunächst wollen wir Sie mit unserem ältesten noch sichtbaren Kulturgut bekannt machen. Sie finden das im angrenzenden Wäldchen über einen Wiesenpfad an dessen Kopfseite – ein augenscheinlich wenig interessanter mächtiger Erdhügel, der es gewissermaßen aber „in sich“ hat. Es handelt sich um die Grabstätte eines so angenommenen Stammes- oder Sippenfürsten, der schätzungsweise 600 bis 500 vor Christus hier innerhalb einer mit Erdreich überschütteten Holzbohlenkammer bestattet wurde. Menschen seines Standes hat man bekanntermaßen ihre Prunkwagen mit ins Grab gegeben, unter denen sie in der Regel liegend zur letzten Ruhe gebettet wurden. Einzelgräber seiner Gefolgsleute wurden Mitte des 19. Jahrhunderts ganz in der Nähe, beim Bau einer Straße nach Daun gefunden, dazugehörende Siedlungsspuren werden allerdings immer noch vom Abraum der Geschichte überdeckt.             

 

Unseren Wanderweg lassen wir über einen leicht geschotterten Wirtschaftsweg hinter dem Edeka – Markt beginnen, der nach wenigen Metern in den Schatten spendenden  Hochwald des „Maibuschs“ führt. Allein der Waldname erinnert noch an Landwirtschaftsformen längst vergangener Zeiten, als wegen der kargen Eifelböden und der mit langen Feldruhephasen praktizierten Dreifelderwirtschaft jeder Krümel Ackerboden gebraucht wurde. Feuchte Talgründe, die zum Ackerbau untauglich waren, blieben ausnahmslos der Heugewinnung vorbehalten. So fehlte es an Grünfutter für das Stall- und Nutzvieh, das man ersatzweise in die Wälder trieb, was den Jungbewuchs logischerweise arg strapazierte. Hin und wieder trifft man in Urkunden auf Waldparzellen, die bei hohen Strafen gegen einen Vieheintrieb zwischen Mai und September gesperrt waren – man sprach damals von den „Maiwäldern“. Hier treffen wir auf unserer Wanderung zugleich auch auf den ersten Kriminalfall; irgendwo im gegenüberliegenden „Marx – Loch“, an nicht näher überlieferten Stelle bei (2) erschlugen zwei Ulmener Pfarrangehörige 1719 den örtlichen Pfarrer Johann Schweißthal. In Urkunden wird der zwar als äußerst herrsch- und streitsüchtig bezeichnet, aber die Ursache seiner Misshandlung wird gewissermaßen tot geschwiegen. Ein sehr ominöser Fall, außer dass die beiden Täter Brüder waren, die daraufhin exkommuniziert – (von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen) – wurden, wird dazu öffentlich kaum Nennenswertes protokolliert. Vermutlich lagen dem Totschlag Grenzstreitigkeiten zugrunde.

                

Weiter geht’s zum „Wingertstälchen“, das in früheren Jahrhunderten mehrfach als „Weingartsdahll“ vorkommt. Folgen wir einer Deutung des Waldnamens, dann stoßen wir auf einen ehemaligen Hort (vulgärlateinisch „wîngarto“), wo ertragsreiche Samenbäume für den Aufwuchs von Jungpflanzen gehegt wurden. Auf weitaus weniger fruchtbaren Boden fiel dagegen offensichtlich Gottes Gebot: „du sollst nicht töten“ beim Haltepunkt (3). Es war am Pfingstdienstag, dem 29. Mai 1673, als an der Stelle der Ueßer Gemeindepriester Matthias Molitor von einem Holzköhler erschlagen worden sein soll. Matthias Molitor, der an dem Tag seinem Ulmener Kollegen einen Besuch abstatten wollte, geriet mit dem Köhler in ein heftiges Streitgespräch, weil der die Feiertagsruhe missachte. Beim Ulmener Burggraf werde er ihn anzeigen und er hatte zugleich auch die krauseligsten Strafmaße ob dieser Schandtat zur Hand. „Burgverlies, Folter, Scheiterhaufen, fünf Kinder ohne Vater, kein Brot für die Hinterbliebenen …“ vernahm der Köhler die Stimme, die tief aus seinem Inneren kam und nahm nicht mehr wahr, dass sein Arm mit dem dicken Eichenknüppel hernieder sauste und den Kopf des Priesters tödlich traf – so lautet jedenfalls die Volksüberlieferung dazu. Einen ähnlichen Fall überliefert die Geschichte vom Ostermontag, dem 7. April des Jahres 1755. Damals besuchte der ebenfalls in der Pfarrei Ueß amtierende Pfarrer Johann Michael Dietzen sein Elternhaus in Ulmen. Auf dem Heimweg zu seiner Pfarrei am Spätnachmittag kreuzten üble Schnapphähne hier seinen Weg, die es auf das Geldsäckchen abgesehen hatten, das ihm die Mutter kurz vor dem Heimweg noch in die Soutane steckte. Völlig malträtiert ließen sie den Priester liegen, der spätabends von einem Further Bauer besinnungslos aufgefunden wurde, der ihn – so auch hier die Überlieferung – auf einem Karren zu seiner Familie nach Ulmen brachte. Ein herbeigerufener Wundarzt konnte nur noch bedauernd den Kopf schütteln, helfen konnte er nicht mehr. So verschied Pfarrer Dietzen in den Armen seines Freundes, dem Ulmener Pfarrer Nikolaus Theodori. Sein Grab fand er in seiner Wirkungsstätte in Ueß, wo seine basaltine Grabplatte auch nach so vielen Jahren noch in Ehren gehalten wird. Doch bei aller Würdigung weit zurückliegender Erinnerungen, haben wir uns Gott sei Dank auch handfeste Verhaltensformeln zum eigenen Wohlbefinden bewahren können, die sich 300 Meter weiter im mittelalterlichen Ambiente des Kaffees MEHAKO sehr gut umsetzen lassen.     

 

Im weiteren Verlauf der Wanderroute sehen wir uns einmal mehr den Gefahren der Gegenwart ausgesetzt, weil unser Wanderweg die ehemalige Bundesstraße 257 tangiert. Besondere Aufmerksamkeit ist deshalb über 200 Meter geboten und noch mal über 300 Meter durch ein Gewerbegebiet, in dem wir direkt vor einem Möbelcenter den asphaltierten Anstieg nach links einschlagen. Als Alternative bietet sich ein zweiter Weg gleich hinter der Eisenbahnüberführung an, der allerdings sehr rustikal gehalten ist und manche von Hexen gelegte Fußangeln verbirgt. Als Gegenleistung öffnet sich von hier aber auch eine einzigartige Fernsicht über das obere Uessbachtal. In beiden Fällen führt der Weg in den „Brandenbusch“, dessen Name allein schon auf Ulmens schändlichstes Brandmal verweist. Um das zu betrachten, müssen wir uns jedoch einige Schritte bis zu einer kleinen Basaltkuppe bei (4) durch die Büsche schlagen, wo wir so genannte Hexenfeuer aber auch nur unvollständig erfahren dürfen.

1521 sind drei Weiber wegen eines verzauberten Pferdes an den Stock (Pranger) der Haust von Ulmen gezogen und peinlich (unter Folter) befragt worden: Sie haben ihre Zauberei bekannt, sind rechtmäßig mit dem Feuer zum Tod verurteilt und hingerichtet worden. 1527 wurden des Müllers Clais (Nikolaus) Frau Lena, Joisten Anna, Diedrich Weber Frau und Threin (Katharina) Steuffer peinlich befragt. Sie haben den Abfall vom christlichen Glauben, Zauberei und Tötung von Leuten (vermutlich infolge einer Seuche) und Vieh bekannt. Am Donnerstag nach Aschermittwoch wurden sie mit dem Feuer zu Tode gebracht. 1541, just zu dem Zeitpunkt, als in unseren Breiten die Heilige Inquisition erstmals in Erscheinung getreten sein soll, kommen drei Frauen glimpflicher davon, als sie nach einer Folterung und Gestellung von vier Bürgen wieder losgelassen wurden. Damit enden aber auch Aufzeichnungen hiesiger Hexenprozesse – lange bevor die Pogrome ihren Höhepunkt erreichten. Möglicherweise lag das daran, weil der Trierer Erzbischof und Kurfürst den Ulmener Adel während dieser Zeit weitgehend aus deren Rechten der hohen Gerichtsbarkeit verdrängen konnte und Protokolle unter Verschluss gestellt wurden. Erloschen sind die Scheiterhaufen während der nächsten Jahrhunderte mit großer Wahrscheinlichkeit auch hier nicht. 

Heute hinterfragen wir gerne die Hintergründe jener fast schon ekstasisch anmutenden Feuerbrünste. Zahlreiche Historiker begründen die in erster Linie mit Habgier in Aneignung fremden Gutes, wobei der damals unaufgeklärte Zeitgeist mit hochgradigem Aberglauben, der offensichtlich noch sehr von germanischen Mythen geprägt war, sich äußerst hilfreich zeigte. Darin fällt besonders die stetige Dreizahl vorgenannter Hexenanklagen auf, was intensiv an „Odins Mädchen“ oder die drei Nornen erinnert, die in der hochmittelalterlichen Phase mit Gaben der Vorausbestimmung ausgestattet wurden und später unter christlichem Einfluss die Gestalten von Hexen oder zauberkundigen Frauen annahmen. Unter diesem Denkschema wurden jene mythologischen Wesen zu Alben, die sowohl Gutes als auch Schlechtes im Sinn hatten. Als „Dunkel – Alben“ galten sie als Dämonen und Stifter bedrohlicher Krankheitserreger, als „Hell – Alben“ verkörperten sie Engel, die auch schon mal mit dem flammenden Schwert der Gerechtigkeit hernieder sausen konnten. Dagegen galt es Vorkehrungen zu treffen: So wird auch heute der ein oder andere, der von einem „Hexenschuss“ gepeinigt wird es bedauern, mit dem uralten Rat: „Gegen Alben (Elfen) schreibe dies auf Blei“ zu leichtfertig umgegangen zu sein; will heißen, dass Bleiamuletts mit einem Hexenfuß immer noch als vorbeugender Schutz gegen alle Verwünschungen hilfreich sein können. Und wenn Rädern, wie es Historiker immer wieder anführen, die verschärfte Form aller Todesurteile gewesen sein soll, dann muss die anschließende Einäscherung des Körpers ausschließlich der Abwehr magischer Unheilsformen gedient haben.

Nun waren es nicht nur zauberkundige Frauen, deren Körper auf dem Scheiterhaufen vom Feuer verzehrt wurden: 1527 wurde ein Peter von Schalkenmehren wegen Diebstahls, Kirchenraub, Mord und Brandstiftung gefangen genommen und mit dem Feuer zu Tode gerichtet. Aus einer Niederschrift während der Zeit um 1540 erfahren wir, dass der Ulmener Kuhhirte ebenfalls wegen Diebstahls, Mordes, Brandstiftung und Bestialität mit einer Strafe über der Feuerhort belegt wurde.                                                                                                                                          

Wer sich nun das Vorfeld der Basaltkuppe einmal näher ansieht, wird darin noch die schon ziemlich verschliffenen Abschnittsgräben mit Wällen erkennen. Hier wissen wir allerdings nicht, ob die einer Schadensabwehr gegenüber dem Hexengemach dienten, oder ob die Erdwerke, ursprünglich vielleicht mit Palisaden versehen, Schutz einer vorzeitlichen Siedlung gaben? Letzteres wäre dann die Antwort auf die unbeantwortete Frage zum Hügelgrab beim Haltepunkt (1).                                                                              

Wo unsere Großeltern sich beim Verlassen dieser Stätte noch mindestens drei Mal bekreuzigt hätten, pusten wir noch einmal kräftig durch, um das Plateau des Jakobsbergs bei (5) zu erreichen. Der jetzige Bergname taucht erstmals in einer französischen Karte aus den Jahren 1810/11 auf, wobei vermutet werden darf, dass der Kartograph die Revolutionäre der Jakobiner symptomatisch ins Bild setzen wollte, die nach dem Sturm auf die Bastille Todesurteile im Namen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verkündeten und vollstreckten. Zuvor hieß der Vulkan immer nur „Kahlenberg“ – eine von Bäumen und Sträuchern freie Anhöhe, um darauf ein kurfürstliches  Prestigesymbol – den Gerichtsgalgen – respektvoll und weit sichtbar ankündigen zu können. So wird der Kegel auch heute noch im Volksmund als „Kinnejatt“ bezeichnet, was sich mit „Ankündiger“ übersetzen lässt. Damals, das heißt nach 1650 (siehe auch Station (1)), proklamierte der Galgen insbesondere Durchreisenden auf der alten „Weinstraße“ am östlichen Bergausläufer – verschiedentlich auch „Heerstraße“ genannt – die Schnittstelle der kurkölnischen und kurtrierischen Gerichtsbarkeit. Zuletzt erfahren wir über ein Grenzprotokoll aus dem Jahr 1732 vom dortigen Ulmener Gericht, womit der Galgenstandort gemeint wurde, dessen Fundament heute noch mahnend auf des Berges Spitze zu sehen ist.

1520 ist ein Hans von Henaue (?) wegen gestohlener Kelche und begangener Mördereien durch den trierischen Burggrafen zu Ulmen und den Schultheiß der Haust v. Ulmen gefangen gesetzt, peinlich befragt und nach Recht geradbrecht (gerädert) als auch gehangen worden. Auch hier fällt die doppelte Exekution auf. Ein anderer Fall aus dem Jahr 1535 zeigt hingegen, dass auch anders verurteilt und vollstreckt wurde: In dem Jahr wurde ein Theis von Lutzerath, der den Haustenschultheiß erstochen hatte, ebenfalls zum Rad verurteilt und anschließend mit dem Schwert hingerichtet. Immerhin wurde er, anders als andere Todeskandidaten, mit einer christlichen Beerdigung auf dem Friedhof begnadigt. Das versöhnt uns ein wenig, bevor wir den Berg in südlicher Richtung zur dritten Schandstelle  damaliger Gerechtigkeit, verlassen.

 

Historisch gesehen stehen wir dort zunächst einmal im Dunkeln, weil man offensichtlich „peinliche“ Erinnerungen vergessen machen wollte. Doch allein schon der Flurname „Beim Peinloch“ lässt vermuten, dass es sich hier um eine Schmerz zufügende Örtlichkeit gehandelt haben muss. Daneben hat uns ein Monsieur Tranchot in seiner Geländekarte von 1810/11 ein Wasserloch an die Stelle projiziert, wo unser Haltepunkt (6) platziert ist. Das wiederum erinnert sehr stark an jene Gewässer, wo Hexen oder andere Todeskandidaten in letzter Instanz so genannten Gottesurteilen zugeführt wurden – ein Hohn der damaligen Volksfrömmigkeit, wobei dem Herrgott auch noch kräftig ins Handwerk gepfuscht wurde. Freisprüche waren dabei nicht zu erwarten; egal ob die Geprüften beim Eintauchen ins Wasser zuviel Wasser aufnahmen, oder zum Beispiel Hexen durch Überleben ihre Zauberfähigkeit bewiesen. Als Schlusspunkte standen immer, geschundene Körper durch Feuer zu einem nicht leibhaftigen Wesen aufzulösen – denn vor nichts hatte man mehr Angst, als vor der Rache von Wiedergänger

 

Hier kehren wir um in die Gegenwart und genießen wenige Schritte weiter Ulmens schönstes Panorama. Dort wo der Wanderweg wieder in den Wald mündet steht etwas abseits des Weges bei (7) ein Gedenkstein, der an einen vom Blitz getroffenen Schäfer erinnert und nach dessen Hausname „Stoffelskreuz“ genannt wird. Knapp 1,2 Kilometer Wanderstrecke durch eine bunt gehaltene Mischwaldkultur liegen nun noch vor uns, bevor wir entlang des Campingplatzes auf die Kelberger Straße stoßen und rechts abgehend nach 250 Metern wieder den Ausgangspunkt erreichen. Falls Sie unterwegs aber von einem Mordshunger oder –durst überrascht wurden, empfehlen wir den Weg nach links einzuschlagen, wo sich beide „Plagen“ nach etwa 250 Meter im EDESSA Grill, durch die gutbürgerliche Küche in Peters Bistro oder im Landkaffee Müsch genüsslich „hinrichten“ lassen.

                                                                                                      

                                                                                                                                                    Manfred Dietzen